Mit Urteil vom 20. September 2019 (V ZR 218/18) hat der BGH in einem Nachbarschaftsstreit entschieden, dass Ansprüche aus § 1004 BGB bei Einhaltung ordnungsrechtlicher Vorschriften ausscheiden. In der Sache forderte ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn die Entfernung von Birken, deren Pollenflug Verunreinigungen des Kläger-Grundstücks verursachten (hilfsweise: Kostentragung der Reinigung).
Laut BGH ist der Beklagte jedoch nicht für die natürlichen Immissionen verantwortlich. Als maßgeblich erachtete das Gericht dabei u.a. mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien, dass er bei Anpflanzung die landesrechtlichen Abstandsregeln eingehalten hatte. Damit werde nicht der bundesrechtliche Unterlassungsanspruch durch landesrechtliche Ordnungsvorschriften ausgehöhlt; es handle sich vielmehr um die Vorfrage, ob der Beklagte in einem solchen Fall überhaupt für die Immissionen verantwortlich sein könne.
Das Urteil, bei dem es sich freilich um eine Entscheidung in Zivilsachen handelt, wird noch Konsequenzen für das Umweltrecht haben. Denn dort gilt keineswegs, dass alles erlaubt ist, was nicht verboten wurde, sondern dass erlaubt ist, was erlaubt wurde. Diesen Grundsatz scheint der BGH in Frage zu stellen. Denn artenunspezifische Abstandsregelungen, die den Pollenflug verschiedener Pflanzen nicht angemessen berücksichtigen, dürften für den Pollenflug nicht immer Geltung beanspruchen, ihn also nicht regeln und somit auch nicht erlauben.
Der Begriff der natürlichen Immissionen wird den Gerichten ebenfalls noch auf die Füße fallen. Denn insoweit zeichnet sich jetzt schon die Frage ab, ob die Geruchsemissionen von Tieren in Massentierhaltungsanlagen nicht ebenfalls natürlich sind.
Und so werden wir es bald erleben, dass der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zusammenfindet, um über Lindenpollen zu beraten. Es wird ein sonniger Tag.