Ein Jahr nach Einführung des nationalen Emissionshandelssystems (nEHS) zeigen sich die ersten Probleme in seiner praktischen Anwendung. Eine Fragestellung betriff den Fall, dass der Verantwortliche mehr Zertifikate erworben hat, als er benötigt. Die Rückgabe von BEHG-Zertifikaten ist im Gesetz allerdings nicht geregelt. Der vorliegende Beitrag zeigt die Handlungsoptionen auf.
Wann ist die Rückgabe von BEHG-Zertifikaten überhaupt sinnvoll?
Zertifikate sind gemäß § 9 BEHG während der gesamten Handelsperiode gültig. Diese läuft von 2021 bis 2030, vgl. § 3 BEHG i.V.m. Art. 4 Verordnung (EU) 2018/842). Auch können Zertifikate von Inhaber zu Inhaber übertragen werden, § 9 BEHG. Von Liquiditätslücken und Insolvenzfällen abgesehen: Warum sollte man überzählige Zertifikate überhaupt zurückgeben wollen?
Das Problem liegt in ihrer eingeschränkten Nutzbarkeit während der Einführungsphase 2021 bis 2025. Für diesem Zeitraum schließt § 9 BEHG das sog. „banking“ von Zertifikaten aus, indem die Vorschrift die Gültigkeit der Zertifikate auf das Jahr ihrer Ausstellung und das ihm vorangegangene Jahr beschränkt. Eine Verwendung von 2021 erworbenen Zertifikaten für erst 2022 in Verkehr gebrachte Mengen ist daher ausgeschlossen.
Hat ein Verantwortlicher sich also 2021 in größerem Umfang für in Verkehr gebrachte Brennstoffe mit BEHG-Zertifikaten eingedeckt, als rückblickend nötig gewesen wäre (etwa weil die Brennstoffe in ETS-Anlagen verbrannt werden und daher nicht nEHS-pflichtig waren), kann er nur auf einen Verkauf im Sekundärmarkt oder eben auf eine Rückgabe der BEHG-Zertifikate hoffen.
Zivilrechtliche Rückabwicklung
Das BEHG äußert sich nicht zur Möglichkeit einer Rückgabe von BEHG-Zertifikaten. § 10 BEHG regelt lediglich den „Verkauf“ der Zertifikate. Dabei bleibt offen, ob die kaufrechtlichen Regelungen des Zivilrechts Anwendung finden sollen. Die Gesetzesbegründung äußert sich nicht dazu.
Sofern kaufrechtliche Regelungen Anwendung finden, kommt eine Rückabwicklung grundsätzlich nach Rücktritt wegen Pflichtverletzung (§§ 437, 323, 346 BGB) oder Anfechtung (§§ 119, 142 BGB) in Betracht. Ein übermäßiger Erwerb ist allerdings kein Mangel, der den Verantwortlichen zum Rücktritt wegen Pflichtverletzung berechtigen könnte. Auch eine Anfechtung dürfte ausgeschlossen sein, da der Erwerb der Zertifikate nicht aus einem Inhalts- oder Erklärungsirrtum resultierte. Die Kaufentscheidung basierte vielmehr auf dem anfechtungsrechtlich unbeachtlichen sog. Motivirrtum über die Erforderlichkeit der Zertifikate.
Das Kaufrecht würde daher vorliegend nicht zur Rückabwicklung des Erwerbs berechtigen. Ob es auf den Verkauf von Zertifikaten nach § 10 BEHG überhaupt Anwendung findet, kann daher offen bleiben.
Annullierung analog § 22 BEHV
§ 22 BEHV ermöglicht die Annullierung bestimmter, irrtümlich veranlasster Transaktionen auf Antrag. Dem Wortlaut nach erfasst die Vorschrift jedoch nur die Löschung und Abgabe von Zertifikaten; der (Erst-) Erwerb wird nicht genannt. Fraglich ist, ob die Vorschrift als abschließend zu betrachten ist oder analog auch auf den Ersterwerb Anwendung finden kann. Dies erfordert vergleichbare Interessenlagen und eine planwidrige Regelungslücke.
Ob eine Regelungslücke gegeben ist, hängt vor allem davon ab, ob das Kaufrecht auf den Erwerb von Zertifikaten nach § 10 BEHG Anwendung findet oder nicht. Ist dies der Fall, lässt sich der irrtümliche Erwerb nach den §§ 119 ff. BGB beurteilen (mit dem Ergebnis, dass eine Rückabwicklung ausgeschlossen wäre, siehe vor). Eine Regelungslücke läge dann nicht vor.
Soll Kaufrecht auf § 10 BEHG dagegen keine Anwendung finden, fiele die Rückabwicklung des Erwerbs in eine Regelungslücke. Diese dürfte dann auch als planwidrig anzusehen sein. Aus den Gesetzesmaterialien ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber sich mit dem Fall des irrtümlichen Erwerbs befasst hätte (vgl. den Referentenentwurf zur BEHV). Der Gesetzgeber hatte auch keinen Grund, die irrtümliche Abgabe und Löschung einer Regelung zuzuführen, den irrtümlichen Erwerb dann aber bewusst ungeregelt zu lassen.
Vergleichbare Interessenlage?
Auch eine vergleichbare Interessenlage dürfte vorliegen. In beiden Fällen geht es um eine irrtümlich veranlasste vermögensrelevante Erklärung. Aus dem Referentenentwurf der BEHV (Seite 50) ergibt sich, dass Übertragungen (nur) deshalb von der Annullierung ausgeschlossen sind, weil „hierbei ansonsten in Rechte des Empfängers eingegriffen würde“. Dieses Argument lässt sich aber nur auf Übertragungen im Sekundärmarkt anwenden, nicht auf den Ersterwerb – die Behörde hat keine schützenswerten Interessen, die vor einem Eingriff durch Annullierung bewahrt werden müssten. Das Fehlen einer synallagmatischen Gegenleistung ist also nur eine zufällige Gemeinsamkeit der beiden der Annullierung zugänglichen Transaktionsarten, und kann der analogen Anwendung der Vorschrift auf den Ersterwerb nicht entgegengehalten werden.
Auch eine Beschränkung der Vorschrift auf das versehentliche Auslösen einer Transaktion im technischen Sinne (die ihr eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Anfechtungsrecht verleihen würde) ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Denn der Verordnungsbegründung zufolge „verschafft diese Regelung Kontoinhabern die Möglichkeit, … Abgaben mit versehentlicher Nutzung von Zertifikaten, die auch für die Abgabe des Folgejahres gültig wären, zu annullieren.“ Kontoinhaber sollen also auch davor bewahrt werden, sich wegen der zeitlich beschränkten Gültigkeit von Zertifikaten selbst Schaden zuzufügen.
Die überwiegenden Argumente sprechen daher für eine analoge Anwendbarkeit von § 22 BEHV auf den Ersterwerb von Zertifikaten nach § 10 BEHG.
Ergebnis
Wer sich hierauf berufen will, wird sich aber beeilen müssen. Denn § 22 BEHV sieht für den entsprechenden Antrag eine Ausschlussfrist von 10 Arbeitstagen nach Abschluss der Löschung vor; bei analoger Anwendung wäre als fristauslösendes Ereignis auf den Erwerb abzustellen. Wer erst nach mehr als 10 Tagen nach Erwerb bemerkt, dass er zu viele Zertifikate erworben hat, kann also nur noch auf einen Verkauf im Sekundärmarkt hoffen.
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