Abschuss von Wölfen erleichtert

Der neue § 45a BNatSchG erleichtert den Abschuss von Wölfen

Eine Änderung des BNatSchG vom 4. März erleichtert den Abschuss von Wölfen. Der neu eingefügte § 45a erlaubt es unter anderem, Wolfsrudel sukzessive zu dezimieren, bis von ihm ausgehende, keinem individualisierbaren Tier zuzuordnende Nutztierrisse enden. Die materiellrechtlich relevanten Absätze lauten wie folgt:

(1) Das Füttern und Anlocken mit Futter von wildlebenden Exemplaren der Art Wolf (Canis lupus) ist verboten. Ausgenommen sind Maßnahmen der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde. …

(2) § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 gilt mit der Maßgabe, dass, wenn Schäden bei Nutztierrissen keinem bestimmten Wolf eines Rudels zugeordnet worden sind, der Abschuss von einzelnen Mitgliedern des Wolfsrudels in engem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit bereits eingetretenen Rissereignissen auch ohne Zuordnung der Schäden zu einem bestimmten Einzeltier bis zum Ausbleiben von Schäden fortgeführt werden darf. Ernste wirtschaftliche Schäden im Sinne von § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 können auch drohen, wenn ein Wolf nicht landwirtschaftlich gehaltene Weidetiere reißt, soweit diese durch zumutbare Herdenschutzmaßnahmen geschützt waren. Die in Satz 1 geregelte Möglichkeit des Abschusses weiterer Wölfe gilt auch für Entnahmen im Interesse der Gesundheit des Menschen nach § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 4. …

(3) Vorkommen von Hybriden zwischen Wolf und Hund (Wolfshybriden) in der freien Natur sind durch die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde zu entnehmen; die Verbote des § 44 Absatz 1 Nummer 1 gelten insoweit nicht.

Doppelbelastung nach BEHG und EU-ETS

Durch das Nebeneinander von BEHG und EU-ETS droht eine Doppelbelastung von Betreibern von dem EU-ETS unfallenden Anlagen.

Am 20. Dezember 2019 trat das Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen (BEHG) in Kraft. Das BEHG wird künftig den Erwerb von Brennstoffen mit einer zusätzlichen nationalen Abgabe im Rahmen eines nationalen Emissionshandelssystems (nEHS) belasten. Ziel ist, auch CO2-Emissionen aus Sektoren einem Cap&Trade-System zu unterwerfen, die nicht dem Anwendungsbereich des Europäischen Emissionshandels (EU-ETS) unterfallen.

Der Gesetzgeber hat sich dabei für einen sog. Upstream-Ansatz entschieden, bei dem – anders als beim EU-ETS – nicht an die CO2-verursachende Tätigkeit selbst (downstream) angeknüpft wird, sondern an die Bereitstellung der hierfür erforderlichen Brennstoffe. Dies ist vergleichbar mit der Bekämpfung von Schusswaffenverletzungen durch Regulierung des Schusswaffenverkaufs und stellt grundsätzlich ein effektives und legitimes Policy-Tool dar.

BEHG und ETS überschneiden sich teilweise. Eine Doppelbelastung sollte aber vermieden werden.

Problematisch ist, dass Betreiber von ETS-Anlagen durch diese Regelungstechnik Gefahr laufen, doppelt belastet zu werden – zunächst durch einen nEHS-Aufschlag beim Erwerb der Brennstoffe, und ein weiteres mal bei deren Einsatz in den ETS-relevanten Prozessen selbst. Laut § 7 Abs. 5 BEHG wird die Bundesregierung bis Ende des Jahres eine Verordnung veröffentlichen, die eine Doppelbelastung von Unternehmen durch nEHS und EU-ETS verhindern soll. Allerdings steht aufgrund des Wortlauts von Gesetz und Gesetzesbegründung zu befürchten, dass viele Fälle der Doppelbelastung nicht als solche erkannt, und daher nicht vermieden, werden.

Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn der wirtschaftliche Träger der nEHS-Kosten nicht mit dem juristisch Verpflichteten nach EU-ETS identisch ist. Das ist beispielsweise bei Konzernen mit Kraftwerksgesellschaften und einer zentralen Beschaffungsgesellschaft der Fall. Die rechtliche ETS-Verpflichtung knüpft an den unmittelbaren Betreiber (die Kraftwerksgesellschaft) an, während die nEHS-Verpflichtung die Einkaufsgesellschaft treffen wird.

Hinweise, dass der Gesetzgeber nur an die rechtliche, nicht aber auch an die „bloß“ wirtschaftliche Doppelbelastung gedacht hat und daher nur rechtlich doppelt betroffene Unternehmen schützen wird, ergeben sich aus verschiedenen Stellen des Gesetzes und der Gesetzesbegründung:

  • „insbesondere im Falle einer Direktlieferung von Brennstoffen an ein Unternehmen und deren Einsatzes in einer dem [ETS] unterliegenden Anlage“ (§ 7 Abs. 5 BEHG)
  • „Befreiung von der Abgabepflicht für Lieferungen an ETS-Anlagen“ (BT-Drs. 19/14746, Seite 20)
  • „Doppelbelastungen von Anlagenbetreibern zu vermeiden“ (Seite 35)
  • „direkte Lieferbeziehung zwischen dem Verantwortlichen und dem Betreiber der ETS-Anlage“ (Seite 36)
  • „erhalten ETS-Anlagenbetreiber nachträglich eine Kompensation“ (Seite 38)

Ein Entwurf der Verordnung liegt bislang nicht vor. Es steht jedoch zu hoffen, dass der Verordnungsgeber (die Bundesregierung) das Problem erkennen und entsprechen berücksichtigen wird.

Umsatzsteuer auf Beratung von Mandanten in Übersee

Unterliegt die Rechtsberatung einer Privatperson in Brasilien durch einen in Deutschland ansässigen Rechtsanwalt der deutschen Umsatzsteuer?

Maßgeblich: Leistungsort

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der deutschen Umsatzsteuer Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Inland ist dabei gemäß Abs. 2 Satz 1 (mit einigen Ausnahmen) das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Fraglich ist also, wo die anwaltliche Beratung stattfindet. Hierfür ist zunächst zu ermitteln, ob es sich bei der Beratung um eine Lieferung oder um eine sonstige Leistung handelt, da der Leistungsort nach unterschiedlichen Regeln bestimmt wird.

Gemäß § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen Leistungen, die einen Dritten befähigen, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Das ist bei der anwaltlichen Rechtsberatung zumindest in der Regel nicht der Fall. Gemäß § 3 Abs. 9 UStG muss sie daher eine sonstige Leistung im Sinne des UStG darstellen.

Der Ort der sonstigen Leistung ist in § 3a UStG beschrieben. Gemäß Abs. 1 wird eine sonstige Leistung grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Dies wäre bei einer in Deutschland befindlichen Kanzlei das Inland.

Spezialregelung für Freiberufler

Allerdings sieht Abs. 4 Satz 1 hiervon einer Ausnahme vor: Ist der Empfänger einer im in Satz 2 enthaltenen Katalog aufgeführten Leistung weder ein Unternehmer noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, und hat er seinen Wohnsitz im Drittlandsgebiet, wird die sonstige Leistung an dessen Wohnort oder Sitz ausgeführt. Die Tätigkeit als Rechtsanwalt gehört gemäß Nr. 3 zu eben diesen Katalogleistungen.

Zu klären ist nunmehr der Begriff des Drittlandsgebiets. Als Drittlandsgebiet zählt gemäß § 1 Abs. 2a Satz 3 UStG das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist. Gemeinschaftsarbeit ist gemäß Satz 1 das Inland und, bis auf einige Ausnahmen, das Gebiet der übrigen Mitgliedstaaten der EU.

Da Brasilien sich weder im Gebiet der Bundesrepublik noch im Gebiet eines anderen EU-Mitgliedsstaats befindet, ist bei privaten Mandanten aus Brasilien die vorgenannte Ausnahmeregelung in § 3a Abs. 5 UStG einschlägig. Die Leistung des Rechtsanwalts gilt als nicht im Inland erbracht und unterfällt somit nicht der Umsatzsteuerpflicht aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG.

ETS-Zertifikate und Finanzmarktregulierung (MiFiD II)

Anlagenbetreiber als Finanzmarkthändler? ETS und MiFiD II

Über 11.000 Anlagen in 31 Ländern unterfallen dem Europäischen Emission Trading Scheme (ETS). Für ihre Treibhausgas-Emissionen müssen die Betreiber sogenannte EU-Allowances (EUA, also Zertifikate) erwerben und löschen. Seit 2014 zählen EUAs aber als Finanzinstrumente, ihr Handel unterliegt den Regeln der Finanzmarktrichtlinie 2014/65/EU (MiFiD II). Diese sieht für Finanzmarktakteure etliche Zumutungen vor, um Finanzkrisen wie jene von 2008 weniger wahrscheinlich bzw. besser kontrollierbar zu machen. Auch ETS-Zertifikate wurden der Finanzmarktregulierung unterworfen, nachdem an den entsprechenden Spot-Sekundärmärkten zunehmend betrügerische Prakti­ken zu beobachten waren.

Was bedeutet das für die Anlagenbetreiber? Gerade noch Geschäftsführer eines mittelständischen Industriebetriebs mit Sicherheitshandschuhen im Schrank – und plötzlich Wertpapierhändler à la Gordon Gecko?

Definitionen

Um Licht in die Sache zu bringen, ist zunächst zu klären, ob Anlagenbetreiber in den in Art. 1 Abs. 1 und 2 lit. a genannten Hauptanwendungsfall der MiFiD II fallen – die sog. Wertpapierfirmen.

Eine Wertpapierfirma ist gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 jede juristische Person, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt und/oder eine oder mehrere Anlage­tätigkeiten ausübt. Das Wort „gewerbsmäßig“ kommt in der englischen Fassung der Richtlinie übrigens nicht vor und darf neben der „üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit“ als überflüssige Doppelung ignoriert werden.

Als Wertpapierdienstleistung oder Anlagetätigkeit gilt gemäß Anhang I Abschnitt A Ziffer (1) bis (3) unter anderem die Annahme und Übermittlung von Aufträgen, die ein oder mehrere Finanzinstrument(e) zum Gegenstand haben, die Ausführung von Aufträgen im Namen von Kunden sowie der Handel für eigene Rechnung.

Der Begriff der Finanzinstrumente umfasst gemäß Anhang I Abschnitt C Ziffer (11) auch Emissionszertifikate, die aus Anteilen bestehen, deren Übereinstimmung mit den Anforderungen der Richtlinie 2003/87/EG (Emissionshandelssystem) anerkannt ist – also EUAs und CERs.

Und als Handel für eigene Rechnung gilt gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 6 der Handel unter Einsatz des eigenen Kapitals, der zum Abschluss von Geschäften mit einem oder mehreren Finanzinstrumenten führt.

Zwischenergebnis: Eine Kapitalgesellschaft, die im Rahmen ihrer üblichen gewerblichen Tätigkeit aus eigenem Kapital EUAs oder CERs erwirbt, gilt also als Wertpapierfirma. Das dürfte auf die meisten ETS-pflichtigen Anlagenbetreiber zutreffen.

Ausnahmen

Glücklicherweise gibt es für ETS-Anlagen eine Ausnahme. Wer EUAs und CERs nicht als Finanzprodukte nutzt, sondern lediglich für die eigene Compliance-Pflicht erwerben will, ist gemäß Art. 2 Abs. 1 lit e vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen.

Danach gilt sie nicht für Anlagenbetreiber mit Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen der Richtlinie 2003/87/EG [d.h. der ETS-RL], die beim Handel mit Emissionszertifikaten keine Kundenaufträge ausführen und die keine anderen Wertpapierdienstleistungen erbringen oder Anlagetätigkeiten ausüben als den Handel für eigene Rechnung unter der Voraussetzung, dass diese Personen keine hochfrequente algorithmische Handelstechnik anwenden.

Auch das dürfte auf die meisten ETS-pflichtigen Anlagenbetreiber zutreffen. Der gewöhnliche Erwerb von Treibhausgaszertifikaten zur Erfüllung der ETS-Pflichten macht aus einem Industriebetrieb also noch keine der Richtlinie unterworfene Wertpapierfirma.

Erfreulich ist, dass der zentrale Einkauf von Zertifikaten durch Holding-Gesellschaften für die Anlagengesellschaften im Konzern ebenfalls ausgenommen ist. Gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. b gilt die Richtlinie nicht für Personen, die Wertpapierdienstleistungen ausschließlich für ihr Mutterunternehmen, ihre Tochterunternehmen oder andere Tochterunternehmen ihres Mutterunternehmens erbringen.

Strafbarkeit im Unternehmen

Umweltstraftaten werden vielfach im Rahmen industrieller Betätigung, d.h. im Betrieb eines Unternehmens begangen. Ein Unternehmensstrafrecht (wie z.B. seit 2005 in Österreich) gibt es wegen des dem deutschen Strafrecht zugrunde liegenden Schuldprinzips hierzulande aber nicht.

Stattdessen kommen als Täter in einem Unternehmen Angehörige folgender Gruppen in Betracht:

  • Betriebsbeauftragte
  • Mitarbeiter
  • Vorgesetzte
  • Organe (z.B. Vorstandsmitglieder)

Sonderdelikte (z.B. der Betrieb der Anlage) können nur durch die Organe begangen werden, vgl. § 14 StGB; strittig ist, ob Betriebsbeauftragte insoweit als Organe zählen. Bei Jedermannsdelikten kommen folgende Konstellationen in Betracht:

  • Der Betriebsbeauftragte kann sich als Bewachergaranten durch Unterlassen strafbar machen, § 13 StGB
  • Mitarbeiter, Vorgesetzte und Organe können als Täter oder Mittäter handeln
  • bei Vorgesetzten kommt eine mittelbare Täterschaft in Betracht, wenn ihre als „Werkzeug“ handelnden Untergebenen straffrei bleiben
  • Bei Strafbarkeit eines Haupttäters (z.B. eines Untergebenen) kann dagegen auch eine Anstiftung oder Beihilfe vorliegen.

Bei Gremienentscheidungen ist die conditio-sine-qua-non Formel im Sinne der sogenannten alternativen Kausalität zu modifizieren. Dies leuchtet unmittelbar in folgendem Fall ein:

Die M ist Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft. Der Vorstand beschließt einstimmig, (rechtswidrig) Abwässer aus einer Anlage der Gesellschaft unbehandelt in einen Fluss einzuleiten. Strafbarkeit der M?

Bei einer Organisation in Ressorts ist im Normalbetrieb jeder Bereichsleiter nur für sein Ressort zuständig. Im Krisen- oder Ausnahmefall (z.B. Fälle des § 330 StGB) gilt dagegen der Grundsatz der Generalverantwortung der Unternehmensleitung: Jedes Mitglied der Unternehmensleitung muss sich dann eine eigene Meinung über Vorfälle bilden, die das gesamte Unternehmen betreffen. Die Linienverantwortlichkeit der Ressortchefs macht sie zu Bewachergaranten im Sinne der Unterlassensstrafbarkeit gemäß § 13 StGB.

Strafbarkeit von Amtsträgern

Das Vollzugsdefizit im Umweltstrafrecht ist Folge eines Wissensdefizits der Strafverfolgungsbehörden, die auf die Fachkenntnis der Umweltbehörden angewiesen sind. Bei besserer Kenntnis von umweltstrafrechtlich relevantem Verhalten wären die Strafverfolgungsbehörden zur Verfolgung verpflichtet (Legalitätsprinzip, § 152 StPO); allerdings können sie selbst bei Kenntnis von nachteiligen Veränderungen der Umwelt nicht automatisch vom Vorliegen einer Umweltstraftat ausgehen, da zahlreiche Verschlechterungen genehmigt und somit strafrechtlich irrelevant sind.

Es darf allerdings davon ausgegangen werden, dass die Umweltbehörden zahlreiche Umweltstraftaten nicht zur Anzeige bringen, sondern lediglich auf eine Umkehr der Umweltauswirkungen im Wege des Umweltverwaltungsverfahrens hinwirken. Eine solche Nichtanzeige stellt keine Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) dar, mit der selten relevanten Ausnahme der Anzeigepflicht im Atomrecht (§ 19 Abs. 1 Satz 3 AtG iVm § 139b Abs. 7 GewO). Auch ist eine Amtsträgerstrafbarkeit im Umweltrecht nicht eigens geregelt, um die Umweltverwaltung nicht zu verunsichern und ihre Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden nicht zu beeinträchtigen. Eine solche Regelung könnte den irrigen Eindruck erwecken, dass strafbares Verhalten bei den Umweltbehörden besonders weit verbreitet ist.

Täterschaft und Teilnahme

Bei den Tatbeständen im 29. Abschnitt des StGB handelt es sich vielfach um Sonderdelikte, die besondere Tätermerkmale wie z.B. das Betreiben von Anlagen erfordern (z.B. §§ 325, 325a, 327, 329 Abs. 1 StGB). Dem Amtsträger fehlt in der Regel die Täterqualität (Ausnahme: sogenannte Betreiberfälle, z.B. beim städtischen Müllheizkraftwerk). Eine eigene Täterschaft von Amtsträgern scheidet daher meist aus.

Eine Teilnahme wird häufig an der limitierten Akzessorietät der Teilnahme (§§ 26 f. StGB) scheitern. Danach gibt es bei Straflosigkeit des Haupttäters (etwa mangels rechtswidrigen Verhaltens infolge einer wirksamen Genehmigung) auch keine Anstiftung oder Beihilfe.

Bei den Jedermannsdelikten (z.B. §§ 324, 326 Abs. 1 oder § 330a StGB) kommt aber eine Strafbarkeit wegen Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolgs in mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) in Betracht. Diese erfordert allerdings die Straflosigkeit des Werkzeugs und ein überlegenes Wissen des Amtsträgers (die Rechtsverletzung muss sich in anderen Worten als “Werk” des Amtsträgers darstellen). Beispiel:

Der S erteilt als Mitarbeiter der zuständigen Behörde wissentlich eine rechtswidrige Genehmigung. Der Begünstigte weiß hiervon nichts.

Strafbarkeit wegen Unterlassen

In Betracht kommt ferner eine Strafbarkeit wegen Unterlassen gemäß § 13 StGB durch Nichtrücknahme einer fehlerhaft erteilten Genehmigung, auf deren Grundlage ein Betreiber nachteilige Umweltauswirkungen verursacht.

Die bei § 13 StGB erforderliche Garantenstellung folgt in der Behörde aus Ingerenz, also durch das verwertbare Vorverhalten der vorigen fahrlässigen Erteilung einer materiell rechtswidrigen Genehmigung. Garant ist insoweit jedoch nur der jeweilige Amtsträger selbst, nicht jedoch die Behörde oder der Behördenleiter. Beispiel:

Der S erteilt als Mitarbeiter der zuständigen Behörde versehentlich eine materiell rechtswidrige Genehmigung. Die Voraussetzungen einer Rücknahme gem. § 48 VwVfG liegen vor. Als er seinen Fehler erkennt, lässt er die Sache aber auf sich beruhen aus Furcht, der Fehler könne ihn vor seinen Vorgesetzten und Kollegen blamieren.

EnWG unionsrechtswidrig

Schon im vergangenen Jahr leitete die Europäische Kommission beim EuGH ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein, weil Teile des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ihrer Ansicht nach gegen Unionsrecht verstoßen (Az. C-718/18). Die Kommission wirft Deutschland vor, die Vorgaben der Gasrichtlinie 2009/73/EG zur Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde sowie zur personellen Entflechtung in vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen (viEVU) nicht hinreichend umgesetzt zu haben.

FNB-Definition im EnWG weicht vom Unionsrecht ab

Nun droht neues Ungemach. Im Zuge des Zertifizierungsverfahrens der Ferngas Netzgesellschaft mbH, Deutschlands einzigem Kombinationsnetzbetreiber mit Fernleitungs- und Verteilergasnetz, nahm sie zu den Voraussetzungen der Definition des Ferngasnetzbetreibers (FNB) Stellung (Stellungnahme der Kommission vom 22. Juli 2019 – C(2019) 5524 final). Hintergrund ihrer Positionierung ist, dass sich die Bundesnetzagentur (BNetzA) ausdrücklich den Widerruf der Zertifizierung für den Fall vorbehielt, dass die Ferngas ihren einzigen (buchbaren) Grenz- oder Marktgebietsübergangspunkt (GÜP/MÜP) verliert. Sie hält sich dabei streng an das deutsche Gesetz, welches für das Vorliegen eines FNB in § 3 Nr. 5 EnWG den Betrieb eines Netzes mit GÜP oder MÜP voraussetzt.

Das Problem: Art. 2 Nr. 4 GasRL sieht eine derartige Einschränkung des FNB-Begriffs nicht vor. Nach europäischer Definition ist ein FNB jede

„natürliche oder juristische Person, die die Funktion der Fernleitung wahrnimmt und verantwortlich ist für den Betrieb, die Wartung sowie erforderlichenfalls den Ausbau des Fernleitungsnetzes in einem bestimmten Gebiet und gegebenenfalls der Verbindungsleitungen zu anderen Netzen sowie für die Sicherstellung der langfristigen Fähigkeit des Netzes, eine angemessene Nachfrage nach Transport von Gas zu befriedigen.“

Gravierende Folgen der EnWG-Defintion

Die Kommission befürchtet zurecht, dass Netzgesellschaften bei künftigen Marktgebietsfusionen, die den Verlust von MÜP nach sich ziehen werden, die FNB-Eigenschaft verlieren und aus der Regulierung fallen könnten. Damit würden sie insbesondere von den Entflechtungsvorschriften befreit, obwohl das Risiko einer Diskriminierung zwischen Transportkunden zugunsten des eigenen viEVU fortbestünde.

Auch im Übrigen wären die Folgen des Verlusts der FNB-Eigenschaft gravierend. Die betroffene Gesellschaft wäre nicht länger Teil des Marktgebiets, Transporte durch ihr Netz müssten also wieder – wie noch vor 10 Jahren – bei ihr selbst gebucht werden. Die Entgelte wären nicht durch die in der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) geregelte Erlösobergrenze (EOG) gedeckelt. Die Netzentwicklungsplanung (NEP) könnte das Netz der betroffenen Gesellschaft nicht länger berücksichtigen.

Unionsrechtskonforme Auslegung möglich

Wie ich in einem bald erscheinenden Artikel darlege, bietet der Wortlaut des § 3 Nr. 5 EnWG aber hinreichend Spielraum für eine unionsrechtskonforme Auslegung. Zwar lässt sich das GÜP/MÜP-Erfordernis wegen des klaren Wortlauts nicht einfach weginterpretieren. Anknüpfen lässt sich aber an die Begriffe Netz bzw. Netzbetrieb. Denn anders als das Immissionsschutzrecht ordnet das EnWG keine Betreiberidentität an (bei der eine Anlage nur einen Betreiber haben kann). Es sollte daher ohne weiteres möglich sein, auch den Betrieb nur eines GÜP/MÜP-losen Teils eines größeren Netzes, das als ganzes über GÜP oder MÜP verfügt, ausreichen zu lassen.

BGH: Keine Verantwortung für natürliche Immissionen bei Einhaltung des Ordnungsrechts

Mit Urteil vom 20. September 2019 (V ZR 218/18) hat der BGH in einem Nachbarschaftsstreit entschieden, dass Ansprüche aus § 1004 BGB bei Einhaltung ordnungsrechtlicher Vorschriften ausscheiden. In der Sache forderte ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn die Entfernung von Birken, deren Pollenflug Verunreinigungen des Kläger-Grundstücks verursachten (hilfsweise: Kostentragung der Reinigung).

Laut BGH ist der Beklagte jedoch nicht für die natürlichen Immissionen verantwortlich. Als maßgeblich erachtete das Gericht dabei u.a. mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien, dass er bei Anpflanzung die landesrechtlichen Abstandsregeln eingehalten hatte. Damit werde nicht der bundesrechtliche Unterlassungsanspruch durch landesrechtliche Ordnungsvorschriften ausgehöhlt; es handle sich vielmehr um die Vorfrage, ob der Beklagte in einem solchen Fall überhaupt für die Immissionen verantwortlich sein könne.

Das Urteil, bei dem es sich freilich um eine Entscheidung in Zivilsachen handelt, wird noch Konsequenzen für das Umweltrecht haben. Denn dort gilt keineswegs, dass alles erlaubt ist, was nicht verboten wurde, sondern dass erlaubt ist, was erlaubt wurde. Diesen Grundsatz scheint der BGH in Frage zu stellen. Denn artenunspezifische Abstandsregelungen, die den Pollenflug verschiedener Pflanzen nicht angemessen berücksichtigen, dürften für den Pollenflug nicht immer Geltung beanspruchen, ihn also nicht regeln und somit auch nicht erlauben.

Der Begriff der natürlichen Immissionen wird den Gerichten ebenfalls noch auf die Füße fallen. Denn insoweit zeichnet sich jetzt schon die Frage ab, ob die Geruchsemissionen von Tieren in Massentierhaltungsanlagen nicht ebenfalls natürlich sind.

Und so werden wir es bald erleben, dass der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zusammenfindet, um über Lindenpollen zu beraten. Es wird ein sonniger Tag.