ETS-Pflicht wegen Co-Generation von Strom

Europäischer Gerichtshof: Wenn in einer eigentlich nicht dem Europäischen Emissionshandel (ETS) unterfallenden Anlage nebenher Strom erzeugt und dieser zumindest teilweise ins Netz eingespeist wird, unterfällt die Anlage dem ETS – und zwar als Stromerzeuger, d.h. sie erhält keine kostenlose Zuteilung.

Damit wollte das Gericht vermutlich Umgehungen vorbeugen, denen sich sonst Tür und Tor geöffnet hätte. Allerdings wäre es sicher möglich gewesen, die ETS-Pflicht an den Umfang der Stromerzeugung zu knüpfen. Das aber ist den Leitsätzen nicht zu entnehmen. Diese sagen „wenn“, nicht „soweit“.

Das wird man wohl so lesen müssen, dass wegen der Erzeugung und Vermarktung einiger kWh Strom plötzlich für die gesamte Aktivität der Anlage Zertifikate erworben müssen.

Die Entscheidung könnte in vielen Fällen den Business Case für die effiziente Cogeneration von Strom vernichten – und die Betreiber davon abhalten, so auf effiziente Weise Elektrizität zu erzeugen, ohne zusätzliche Emissionen zu verursachen.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/en/TXT/PDF/?uri=CELEX:62017CA0682&from=EN

Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts

Das Umweltstrafrecht bestimmt sich auch nach dem materiellen (Verwaltungs-) Umweltrecht. Diese sog. Verwaltungsakzessorietät ist zentrales Strukturprinzip des Umweltstrafrechts. Es beschreibt den Umstand, dass die Straftatbestände durch Formulierungen wie „unbefugt“, „ohne die erforderliche Genehmigung“ oder „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ auf die verwaltungsrechtliche Rechtslage verweist und die Strafbarkeit letztlich von ihr abhängig macht.

Das hat eine Reihe von Gründen: Strafrecht soll nicht kriminalisieren, was Verwaltungsrecht erlaubt. Es soll verwaltungsrechtliche Regeln nur verstärken und flankieren, denn: Die Verwaltung schafft einen Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie, indem sie Genehmigungen erteilt und Umwelt-Standards festlegt (Lebensnähe des Verwaltungsrechts); das Strafrecht verstärkt den Rechtsgüterschutz lediglich als Drohkulisse. Die Akzessorietät sorgt für Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung durch einheitliche Auslegung der Begriffe (Praktikabilität und Rechtssicherheit). Außerdem kann die Verwaltung flexibler und schneller auf Veränderungen reagieren als der Strafgesetzgeber.

Die Unterformen der Verwaltungsakzessorietät ergeben sich aus § 330d Abs. 1 Nr. 4 StGB. Dieser definiert verwaltungsrechtliche Pflichten als eine Pflicht, die sich aus

  • einer Rechtsvorschrift
  • einer gerichtlichen Entscheidung
  • einem vollziehbaren Verwaltungsakt
  • einer vollziehbaren Auflage oder
  • einem öffentlich-rechtlichen Vertrag

ergibt und dem Schutz vor Gefahren oder schädlichen Einwirkungen auf die Umwelt, insbesondere auf Menschen, Tiere oder Pflanzen, Gewässer, die Luft oder den Boden, dient (Schutzzweckklausel). Im Einzelnen:

1. Verwaltungsrechtsakzessorietät

Rechtsvorschrift iSv § 330d Abs. 1 Nr. 4 lit. a StGB sind alle gültigen Rechtsnormen mit Außenwirkung, also

  • Gesetze
  • Verordnungen
  • EU-Verordnungen

Verwaltungsvorschriften wie die TA Luft dagegen binden nur intern und sind daher keine Rechtsvorschrift im Sinne von § 330d Abs. 1 Nr. 4 lit. a StGB. Verstöße gegen sie bilden sind aber ggf. über § 22 BImSchG abgebildet. Keine Rechtsnorm im Sinne des Umweltstrafrechts ist außerdem die EU-Richtlinie, die gemäß Art. 288 AEUV noch der Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten bedarf.

2. Verwaltungsjudikatsakzessorietät

Die Verwaltungsjudikatsakzessorietät ergibt sich aus § 330d Abs. 1 Nr. 4 lit. b StGB. Danach kann eine verwaltungsrechtliche Pflicht auch aus einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts entstehen. Beispiel: Ein Verwaltungsgericht untersagt den Betrieb einer Anlage im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO.

3. Verwaltungsaktsakzessorietät

3.1 Allgemeines

Die Verwaltungsaktsakzessorietät ergibt sich aus  330d Abs. 1 Nr. 4 lit. c und d StGB und betrifft Pflichten aus vollziehbaren Verwaltungsakten oder vollziehbaren Auflagen. Letztere ist in der Praxis besonders wichtig. Sie findet sich zum Beispiel in dem Tatbestandsmerkmal „ohne Genehmigung“ in § 326 Abs. 2 Nr. 2 und § 327 Abs. 1 StGB.

Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 35 VwVfG „jede hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalles mit Außenwirkung.“ Eine Auflage im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG ist eine Bestimmung, durch die einem (durch VA) Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird, und kann ihrerseits einen Verwaltungsakt darstellen.

Unter Vollziehbarkeit versteht man die Unanfechtbarkeit (Bestandskraft) des VA wegen Ablaufs der Widerspruchs- oder Klagefrist (§§ 70, 74 VwGO) oder Anordnung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 2 VwGO).

Man spricht insoweit vom Gleichlauf von Strafrecht und Verwaltungsrecht: Der Bürger soll über die ihm angebotenen Rechtsmittel frei verfügen können; während Dauer der Rechtsmittelfrist bleibt sein Verhalten daher straflos! 

Stellt ein Straftatbestand auf eine Genehmigung ab, ist auch deren Umfang und die Einhaltung dieses Umfangs wichtig.

3.2 Materielle Genehmigungsfähigkeit

Keinen Schutz vor Strafbarkeit bietet die bloße materielle Genehmigungsfähigkeit eines Verhaltens (z.B. des Anlagebetriebs), wenn die Genehmigung nicht eingeholt wird. Dies folgt aus dem Grundsatz der strengen Verwaltungsaktsakzessorietät: Die materielle Genehmigungsfähigkeit wirkt weder tatbestandsausschließend noch rechtfertigend. Maßgeblich ist das Vorliegen einer Genehmigung zum Tatzeitpunkt; eine nachträgliche Genehmigung hilft also auch nicht.

3.3 Fehlerhafte Verwaltungsakte

Zu differenzieren ist bei sog. fehlerhaften Verwaltungsakten:

Keine Verwaltungsakte im Sinne des § 330d Abs. 1 Nr. 4 lit. c StGB sind bloßes Nichthandeln und nichtige Verwaltungsakte (§ 44 VwVfG). Rechtswidrige Verwaltungsakte bleiben strafbegründend, vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG:

“Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.“

Eine wirksame Genehmigung ist tatbestandsausschließend. Spiegelbildlich kann der Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit zur Strafbarkeit nach dem 29. Abschnitt des StGB führen. Dies gilt bis zum Zeitpunkt einer etwaigen Rücknahmeentscheidung (eine Rückwirkung der Rücknahme gem. § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG ist im Strafrecht nicht möglich).

Bei Kollusion / Rechtsmissbrauch entfaltet die Genehmigung keine tatbestandsausschließende Wirkung, § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB. Die Täuschung wird in § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB genannt, die bloße Kenntnis von einem rechtswidrigen Verhalten der Verwaltung hingegen nicht. Ob der Katalog insoweit abschließend ist, ist strittig!

4. Verwaltungsvertragsakzessorietät

Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist in §§ 54 ff. VwVfG geregelt:

“Ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts kann durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden (öffentlich-rechtlicher Vertrag), soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Insbesondere kann die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde.”

Strafbarkeitsbegründend sind nur sog. subordinationsrechtliche öffentlich-rechtliche Verträge, vgl. § 330d Abs. 1 Nr. 4 lit. e StGB:

“soweit die Pflicht auch durch Verwaltungsakt hätte auferlegt werden können”

Doch generell sind die §§ 54 ff. VwVfG zu beachten, so etwa auch die Nichtigkeitsgründe nach § 59 VwVfG.

„Zulässiger Lärm“ als Ordnungswidrigkeit?

Nach dem Willen des AG Zweibrücken soll auch „zulässiger“, dem Umfang nach aber vermeidbarer Lärm ordnungswidrig (und damit bußgeldfähig) sein können (Urteil vom 29.10.2018 – 1 Owi 4235 Js 7742/18). In der Sache ging es um Musik, die zwar verkehrsüblich ist, wegen der Nähebeziehung des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses aber gesteigerten Rücksichtnahmepflichten unterliegen und daher nur in Zimmerlautstärke erlaubt sein soll.

Der Leitsatz „zulässiger Lärm kann ordnungswidrig sein“ ist zum Haareraufen und zeigt, dass Richter an ordentlichen Gerichten nicht zur Anwendung öffentlich-rechtlicher Normen berufen sind. Dass es in der Sache eben nicht um „zulässigen Lärm“ ging, sondern ein Verbot der Belästigung durch Tonwiedergabegeräte angewendet wurde, erfährt man erst bei Lektüre der Gründe.

UVPG auf Prüfstand beim EuGH – schon wieder

Der EuGH muss sich ein weiteres mal mit der deutschen Umsetzung der UVP-RL befassen (C-535/18). Wie das BVerwG bereits im April beschlossen hat (9 A 16.16), wird die Entscheidung über den Autobahnzubringer Ummeln in Nordrhein-Westfalen ausgesetzt, bis der EuGH implizit über die Unionskonformität des UVPG entschieden hat.

Zusätzliche Fragen richtet das BVerwG an den EuGH zum Thema Grundwasser (Auslegung des WHG nach WRRL).

Die Vorlagefragen finden sich hier.

Maß der baulichen Nutzung kann nachbarschützend sein!

Eine der großen Hürden bei der Anfechtung einer einem anderen (z.B. dem Nachbarn) erteilten Baugenehmigung ist die Frage, ob die fragliche Baugenehmigung gegen drittschützende Normen verstößt. Denn nicht jeder Rechtsverstoß ist angreifbar; einen allgemeinen Rechtsvollziehungsanspruch gibt es nicht.

Bislang wurde allgemein angenommen, dass zwar die in einem Bebauungsplan festgelegte Art der baulichen Nutzung nachbarschützend sein kann (Stichwort: Schicksalsgemeinschaft), weshalb eine Baugenehmigung, die gegen die festgelegte Art verstößt, durch Dritte angegriffen werden kann. Das Maß wurde jedoch nur über §14 BauNZVO als drittschützend angesehen, wenn durch die schiere Größe des Vorhabens eine Gefängnishofatmosphäre bzw. Erdrückungswirkung entstand; sonst war es nicht drittschützend (BVerwG NVwZ 1996, 170).

Nach einer neuen Entscheidung des BVerwG (Urteil vom 09.08.2018 – BVerwG 4 C 7.17) ist nun aber entscheidend, was der Plangeber wollte.

Nationaler Luftreinhalteplan

Heute erschien die neue 43. Bundes-Immissionsschutzverordnung im Amtsblatt (Verordnung zum Erlass der Verordnung über nationale Verpflichtungen zur Reduktion der Emissionen bestimmter Luftschadstoffe). Mit ihr verpflichtet sich der Gesetzgeber (einer entsprechenden Europäischen Richtlinie folgend), bis 2020 bzw. 2030 bestimmte Grenzwerte für Luftschadstoffe, insb. Feinstaub, NOx und SOx, einzuhalten. Emissionen der Maritimen Seeschifffahrt sind ausgenommen. Die Verordnung räumt dem UBA auf nationaler Ebene Rechte ein, die bislang üblicherweise nur auf kommunaler Ebene von den dortigen Behörden ausgeübt wurden – ein Novum um Immissionsschutzrecht.

Neuer Beitrag in der NVwZ

Im Juli erscheint in der NVwZ mein Beitrag „Abgas als Abfall“ (NVwZ 2018, 956-959). Darin befasse ich mich mit folgender Fragestellung (Abstract):

Abgase aus industriellen Prozessen werden in der Genehmigungs- und Überwachungspraxis meist ausschließlich nach Immissionsschutzrecht beurteilt. Dabei ist das Verhältnis zwischen Luftreinhaltungs- und Kreislaufwirtschaftsrecht keineswegs abschließend geklärt. Tatsächlich lässt sich mit den existierenden Normen kaum begründen, weshalb für Abgase nicht auch das Abfallrecht gelten soll. Dessen Anwendung hätte allerdings potentiell dramatische Folgen für Anlagenbetreiber. Der vorliegende Beitrag untersucht, ob sie durch Auslegung und Anwendung der bestehenden Vorschriften abgewendet werden kann.

EU zu Klimaeffekten von Landnutzung und Forstwirtschaft (LULUCF)

Am 14. Mai hat der Rat der Europäischen Union eine neue Verordnung über die Einbeziehung der Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF) verabschiedet. Sie verpflichtet Mitgliedsstaaten mit sofortiger Wirkung (Inkrafttreten: 20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt), Treibhausgasemissionen aus den genannten Aktivitäten vollständig auszugleichen.

Die erste Verpflichtungsperiode beginnt 2021. Bis dahin müssen noch diverse Umsetzungsrechtsakte auf EU-Ebene verabschiedet werden. Dies kann erst geschehen, wenn die Verordnung tatsächlich in Kraft getreten ist. Seit kurzem konsultieren die Mitgliedstaaten und die Kommission nun eine Überarbeitung der Register-Verordnung (Delegierter Rechtsakt), die neben der dem Register für den EU-ETS auch die Registerführung unter der Effort-Sharing-Verordnung und der LULUCF-VO regelt.