Das Vollzugsdefizit im Umweltstrafrecht ist Folge eines Wissensdefizits der Strafverfolgungsbehörden, die auf die Fachkenntnis der Umweltbehörden angewiesen sind. Bei besserer Kenntnis von umweltstrafrechtlich relevantem Verhalten wären die Strafverfolgungsbehörden zur Verfolgung verpflichtet (Legalitätsprinzip, § 152 StPO); allerdings können sie selbst bei Kenntnis von nachteiligen Veränderungen der Umwelt nicht automatisch vom Vorliegen einer Umweltstraftat ausgehen, da zahlreiche Verschlechterungen genehmigt und somit strafrechtlich irrelevant sind.
Es darf allerdings davon ausgegangen werden, dass die Umweltbehörden zahlreiche Umweltstraftaten nicht zur Anzeige bringen, sondern lediglich auf eine Umkehr der Umweltauswirkungen im Wege des Umweltverwaltungsverfahrens hinwirken. Eine solche Nichtanzeige stellt keine Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) dar, mit der selten relevanten Ausnahme der Anzeigepflicht im Atomrecht (§ 19 Abs. 1 Satz 3 AtG iVm § 139b Abs. 7 GewO). Auch ist eine Amtsträgerstrafbarkeit im Umweltrecht nicht eigens geregelt, um die Umweltverwaltung nicht zu verunsichern und ihre Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden nicht zu beeinträchtigen. Eine solche Regelung könnte den irrigen Eindruck erwecken, dass strafbares Verhalten bei den Umweltbehörden besonders weit verbreitet ist.
Täterschaft und Teilnahme
Bei den Tatbeständen im 29. Abschnitt des StGB handelt es sich vielfach um Sonderdelikte, die besondere Tätermerkmale wie z.B. das Betreiben von Anlagen erfordern (z.B. §§ 325, 325a, 327, 329 Abs. 1 StGB). Dem Amtsträger fehlt in der Regel die Täterqualität (Ausnahme: sogenannte Betreiberfälle, z.B. beim städtischen Müllheizkraftwerk). Eine eigene Täterschaft von Amtsträgern scheidet daher meist aus.
Eine Teilnahme wird häufig an der limitierten Akzessorietät der Teilnahme (§§ 26 f. StGB) scheitern. Danach gibt es bei Straflosigkeit des Haupttäters (etwa mangels rechtswidrigen Verhaltens infolge einer wirksamen Genehmigung) auch keine Anstiftung oder Beihilfe.
Bei den Jedermannsdelikten (z.B. §§ 324, 326 Abs. 1 oder § 330a StGB) kommt aber eine Strafbarkeit wegen Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolgs in mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) in Betracht. Diese erfordert allerdings die Straflosigkeit des Werkzeugs und ein überlegenes Wissen des Amtsträgers (die Rechtsverletzung muss sich in anderen Worten als “Werk” des Amtsträgers darstellen). Beispiel:
Der S erteilt als Mitarbeiter der zuständigen Behörde wissentlich eine rechtswidrige Genehmigung. Der Begünstigte weiß hiervon nichts.
Strafbarkeit wegen Unterlassen
In Betracht kommt ferner eine Strafbarkeit wegen Unterlassen gemäß § 13 StGB durch Nichtrücknahme einer fehlerhaft erteilten Genehmigung, auf deren Grundlage ein Betreiber nachteilige Umweltauswirkungen verursacht.
Die bei § 13 StGB erforderliche Garantenstellung folgt in der Behörde aus Ingerenz, also durch das verwertbare Vorverhalten der vorigen fahrlässigen Erteilung einer materiell rechtswidrigen Genehmigung. Garant ist insoweit jedoch nur der jeweilige Amtsträger selbst, nicht jedoch die Behörde oder der Behördenleiter. Beispiel:
Der S erteilt als Mitarbeiter der zuständigen Behörde versehentlich eine materiell rechtswidrige Genehmigung. Die Voraussetzungen einer Rücknahme gem. § 48 VwVfG liegen vor. Als er seinen Fehler erkennt, lässt er die Sache aber auf sich beruhen aus Furcht, der Fehler könne ihn vor seinen Vorgesetzten und Kollegen blamieren.